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Rendezvous im Bad: Digitales Brennen
11. Dezember 2020 @ 13:00 - 27. März 2021 @ 17:00
Soundspender!nnen Alexandra Gschiel: Stefan Bauer (AT), Ana Rita Braga (PT), Kaspars Teodors Brambergs (LV), Verónica Córdoba (AR), DIVANOVA (AT/US), Elodie Grethen (FR), Mike Hentz (DE/US/CH), Johanna Hierzegger (AT), Elaine W Ho (CN), Nina Hoechtl (AT/MX), In Her Interior (Virginia Barratt & Francesca da Rimini/AU), Helen Varley Jamieson & Andrea Aß (NZ/DE), Benjamin Jones (GB), Dan Robert Lahiani (FR/IL), Stefan Lozar (AT), Stephan Rabl (AT), Elisabeth Renner (AT) & Jeffory Soto (US), Viktorija Rybakova (LT), Stefan Schmid (AT), Val Smets (BE/FI/LU), Eva Ursprung (AT), Anja Prietl (AT), Marina Vinnik (RU), Markus Wilfling (AT), Gordon Williamson (CA)
DIGITALES BRENNEN
Lange galt die digitale Welt als unwirtlich, einsam und kalt, alles Menschliche zwischen 0en und 1en ausgelöscht. Und ganz unbegründet war und ist diese Angst nicht: Während wir sämtliche privaten Barrieren aufgelöst haben und bei jeder Entscheidung „jetzt live“ sind, uns Marketingabteilungen internationaler Konzerne bis auf unsere Unterwäschegewohnheiten kennen, scheint die Distanz des Einzelnen zur Gemeinschaft, zu einem Kollektiv, explodiert zu sein. Ist das Gegenüber nicht mehr spürbar, kann Solidarität leichthin gegen Shopping-Spaß, tatsächliche Unterstützung ohne Kratzer am Selbstbild gegen ein Like ausgetauscht werden.
Doch nicht erst seit unserer neuen Pandemie überschatteten Normalität ist es klar, was Vordenker!nnen des Cyberspace schon vor Jahrzehnten prophetisch vorweggenommen haben: Das Digitale bietet uns schier unendliche Möglichkeiten, als Mensch, als sterblicher, vergänglicher Körper, als kooperatives Wesen, als Künstler!nnen. Die Ausstellung „Digitales Brennen“ des Freien Atelierhaus Schaumbad lotet dabei genau jene Chancen und Möglichkeiten aus, erzählt vom Überwinden räumlicher und körperlicher Beschränkungen und glaubt dabei an das pulsierende, kreative Leben, an das Schaffen und Kooperieren im Digitalen, ohne die Gefahren und Begrenzungen dieser „zweiten Welt“ aus den Augen zu verlieren. Es darf heiß werden.
Konzept: Iris Kasper, Eva Ursprung; kuratiert von Eva Ursprung. Text: Elke Murlasits.
So dreht sich im wahrsten Sinne Alexandra Gschiels Arbeit restart possible um das Lebendige, das unter der zunehmend versiegelten Erdoberfläche pocht. Dafür sammelte sie mit anderen Künstler!nnen Klänge und Sounds verschiedener Teile der Welt auf der Suche nach einem möglicherweise vergangenen Zustand der Erde, der hier durch Kanalgitter aus dem Beton strömt. Kann der Sound die Erde wieder bevölkern? restart possible löst Grenzen auf zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft des menschlichen Treibens und setzt uns einen drehenden Spiegel vor.
Eva-Maria Gugg und Rika Krithara hingegen verbinden in ihrer Arbeit Walk the Cloud Himmel und Erde, Materie und Flüchtiges, Bildende Kunst und Performance. Endpunkt ihrer gemeinsamen in Österreich und Griechenland ausgeführten Geh-Performances, in denen die Künstler!nnen via Skype verbunden waren, sind wolkenhafte Gebilde auf abgelegenen, felsigen Bergen der Insel Naxos. Hier wurden Zeichnungen wieder zu Papier, Papier zu Post, Post wurde zu Kreaturen in abgeschiedener Natur, festgehalten auf Video, als Zeichen künstlerischer Kollaboration in Zeiten geschlossener Reisewege.
Naturhaftigkeit, zumindest scheinbare, steht auch im Mittelpunkt der musikalischen Performance doing doing von Sol Haring und Anita Peter Mörth, wenn die beiden Künstler!innen und Erziehungswissenschafter!innen dabei Geschlechterrollen thematisieren. Das Konzept Doing Gender selbst – die un/bewusste, wiederkehrende Aneignung von Geschlecht – wird durch die Performance zu einem „doing doing“ dekonstruiert. Das Spiel mit dem englischen Ausdruck – Doing für Tun/Machen/Handeln – verweist gleichzeitig auf den Ausdruck für das Geräusch doing doing. Dieser dient als Ausgangspunkt für diesen musikalischen Beitrag.
Gudrun Lang und Thomas Ehgartner hinterfragen in ihrer Arbeit Alternative Facts dagegen die Systeme des Informationsaustausches Internet. Scheinbar neutrale, auf reelle Wahrheit basierende Fakten werden in dieser enormen digitalen Bibliothek unhinterfragt weiter kommuniziert und mit Meinung versehen, was auch direkten Einfluss auf das Output oberster politischer Instanzen hat. Die Künstler!nnen erörtern die überhöhten Anforderungen der ständig wachsenden Menge neuer Information durch die Medien und deren Konsequenzen für Gesellschaft und Geist. Nur ein genauer Blick auf den Raum zwischen den virulenten, ephemeren Informationen verhindert, gefärbten Trugbildern zu unterliegen.
Leichtfüßig und humorvoll nehmen Val Smets und Stefan Lozar unsere Sehgewohnheiten im digitalen Zeitalter auf die Schippe. Der Blick auf die Realität erfolgt mehr und mehr über das Display des Smartphones, welches unbarmherzig alles Gesehene festhält und in die sozialen Medien schickt. Die gemeinsame Skulptur an der Wand, zusammengesetzt aus Abfällen verschiedener Arbeitsmaterialien reeller Bildhauerei (Holz, Metall…) wird über das Handy mittels AR (Augmented Reality) in Flammen gesetzt. Doch das digitale Feuer bleibt kalt und stellt keine unmittelbare Bedrohung unserer Umgebung dar. In den sozialen Medien können dadurch jedoch sehr existenzielle „Brände“ ausgelöst werden.
Genau hinzusehen und zu hören, und sich die Frage zu stellen, wie frei und selbstbestimmt wir uns in der analogen, als auch in der digitalen Welt bewegen, lohnt sich auch angesichts der Arbeit Eye-Borg. Inwieweit können wir uns Manipulation bewusst entziehen, wenn sich vor uns die wunderbare Welt der Computeranimation eröffnet? Keyvan Paydar, Amir Mokhber und Nick Acorne entführen uns mit ihrer interaktiven Licht/Klang/Bewegungsinstallation Eye Box in computeranimierte Landschaften, die sich von uns verändern lassen. Oder bewegt das Auge doch uns? Im Auge des Betrachtenden zu sein, heißt hier auch, der Steuerung der künstlichen Intelligenz ausgeliefert sein.
Die Arbeit von Andrea Sadjak und Viviana Escalé beschreibt die digitale Kommunikation von Emotionen in der Isolation des ersten Lockdowns. Im März begannen die beiden Künstler!nnen, sich gegenseitig Videos zu schicken. Aufgenommen mit der Handykamera im häuslichen Environment entstanden sechs kleine Filme. Common Emotions in Viral Times sind Minizeitstücke, die in ihrer schlichten Präsenz ein deutliches Zeichen setzen: Unterschiedliche Gefühlslagen dringen in einer solchen Ausnahmesituation an die Oberfläche, im Alleinsein bleibt nur ein digitales Element als Tool der Zuwendung.
firka kommt aus dem Ungarischen und bedeutet instinktiv zeichnen, interagieren, handeln, frei von der Leber weg und ist bereits über Jahre hinweg Basis der Zusammenarbeit von Josef Wurm und Peter Balazs. In ihrem Beitrag verknüpfen Wurm und Balazs die rasante Entwicklung unserer Zivilisation, in der zig-tausende Jahre das Feuer Zentrum unseres sozialen Gefüges/Zusammenlebens war, mit der Digitalität, die unser Leben und Schaffen heute (zwangsläufig?) in neue Sphären katapultiert. Kann es weiter brennen, wenn der Funke verloschen, das File aber noch intakt ist? Oder sind die Daten nur die Schatten tatsächlicher Kunstwerke?
Anlehnungen an das Feuer und die Schatten im Höhlengleichnis von Platon nimmt auch Alexej Tschernschitz, wenn er über seine Kunst als Überwindung seiner Innen- zu unserer Außenwelt spricht. In seinen letzten eineinhalb Lebensjahren produzierte er mehr als 1200 faszinierende Bilder, trotz seiner nahezu völligen Bewegungsunfähigkeit aufgrund einer weit fortgeschritten Muskelerkrankung. „Meine Kunst bedeutet für mich Entgrenzung, Beweglichkeit, Erweiterung und Grenzenlosigkeit.“ Markus Wilfling nimmt sich seiner Ausdrucksweise in der gemeinsamen Arbeit …wo… an und setzt diese in poetisch sprachlichen Assoziationen um.